Sind sie vorbei, die Zeiten in denen man sich ein Comic kaufen konnte und
sich eine ruhige Ecke suchte, um in eine andere Welt einzutauchen? Angesichts
der Never-Ending Massenprodukte, die den Markt beherrschen, scheint es fast
so. Aber immer wieder gibt es Ausnahmen, die es wert sind, entdeckt zu werden.
"Golden City" ist solch eine angenehme Ausnahmeerscheinung. Drei
Bände gibt es bereits und jeder von ihnen ist lesenswert. Es kommen dabei
drei entscheidende Faktoren zusammen: Eine spannende Geschichte mit gelegentlich
kritischen Hieben auf unsere Welt, perfekte Bilder im klaren Animee-Stil,
denen die französische Herkunft angenehm anzumerken ist, und eine hochwertige
Verpackung im Überformat.
Die
Story:
Die Welt verrottete so vor sich hin. Das Leben geht weiter, jeder sucht seine
Nische zum Überleben. Die Polizei versucht etwas Ordnung zu wahren, ist
aber der Manipulation der Mächtigen hilflos ausgeliefert. Die Skrupellosen
verkaufen Kinder an Organhändler - so fremd klingt das Ganze nicht. Mittendrin
eine handvoll Heranwachsender, die sich als Strandräuber durchschlagen.
Auf dem Meer schwimmt das Refugium der Superreichen: Golden City. Außerhalb
der immer noch bestehenden Hoheitsgrenzen ein steuerfreies Paradies für
Gute und Böse mit viel Geld. Band 1 stürzt den Leser mitten in eine
lang geplante Intrige gegen den Präsidenten von Golden City, Harrison
Banks. Ein Flugzeug wird auf dem Rückflug nach Golden City abgeschossen.
An Bord Harrisons Frau. Die Kinder gelangen als erste zur Absturzstelle und
bergen zwei Leichname und etwas Technik. Den Körper der Frau verkaufen
sie einem Vermummten und geraten so in die Schusslinie der Verschwörer.
Der Präsident macht sich - als Pilot getarnt - auf, seine Frau zu finden.
Leider vertraut er auf die Falschen und gerät unter Mordverdacht.
In Band 2 versuchen die Verschwörer alles, um den Verhafteten Harrison
zu liquidieren. Dem aber gelingt es immer wieder seinen Häschern zu entrinnen.
Nebenbei kommt er mit Hilfe von Mifa, der jugendlichen Führerin der Strandpiraten,
Organhändlern auf die Spur und kann sogar den Leichnam seiner Frau finden.
Aber er kann Mifa nicht die versprochene Belohnung auszahlen, da die Verschwörer
ihn durch eine Kopie ersetzt und seine Konten gesperrt haben. Die um ihren
Lohn Geprellte verrät den Gesuchten an die Polizei und streicht die Belohnung
ein.
Band 3: Während die Doubles in Golden City Harrisons Macht weiter ausbauen
wird der echte Banks in ein Unterwasser-Gefängnis gebracht. Hier werden
die Häftlinge zur extrem gefährlichen Bergung von auf dem Meeresgrund
liegendem Sondermüll eingesetzt. Alte Freundschaft und eine sehr persönliche
Frage zwingen die Verschwörer zum Handeln und Banks kann die Situation
zu seinem Vorteil nutzen. Keine Angst, der Schluss der Geschichte beendet
diesen Handlungsstrang, aber lässt den Helden in einer misslichen Situation
zurück, so dass weitere Alben unumgänglich sind.
Die
Bilder:
Um ein Zitat aus der Enterprise-Ecke zu nehmen: Best of both worlds! Nicolas
Malfin bringt die Vorzüge gleich dreier Stilrichtungen gekonnt zusammen.
Seitenaufteilung und Bildersprache sind typisch französisch. Geordnet
aber nicht langweilig bilden die Panels eine die Handlung stützende Komposition.
Die Sprechblasen sind eckig, nehmen so in den Panels wenig Platz weg und unterstreichen
den gegliederten Gesamteindruck der Seiten. Die flächig angelegten Bilder
sind in aktueller amerikanischer Farbgebung gehalten. Knallige Farben mit
fehlerfreien Farbverläufen zaubern einen Hauch von plastischer Tiefe
in die Zeichnungen. Besonders in den blauen Passagen beispielsweise im Gefängnis-U-Boot
kommt die Orientierung an den Animee-Stil zum Tragen. Wer die grafische Stärke
des Dreamweave-Studios ("Dark Minds" - gerade wieder bei Marvel
im Programm) mochte, kommt auch hier auf seine Kosten.
Die Hardcover Alben sind etwas größer als das gängige Format.
Schmutztitel, ordentliches Papier, Fadenheftung - da waren keine Anfänger
am Werk. Und so macht die unterhaltende und prima in Szene gesetzte Story
gleich noch mehr Spaß, denn man kann das Album auch nach Jahren noch
in die Hand nehmen ohne vor fliegenden Blättern oder Eselsohren Angst
haben zu müssen.
Muss man gesehen und gelesen haben!!!