Narren ist ein leises Comic. Leise wie ein grauer Wintertag auf einem umgegraben Feld.

Das Leben hält für die, die sich an die Normen halten oder halten können einen vorhersehbaren Ablauf bereit. Narren handelt von Menschen, die sich außerhalb dieser Normen bewegen. Zuerst ist da Ernie, erfolgloser Zauberer ohne Hemdkragen und ohne Freundin. Als nächste Figur taucht Nathan auf. Der wohnsitzlose Vater seiner kleinen Tochter Claire schummelt sich durchs Leben, immer mit der Verantwortung für ein Kind im Nacken. Dann kommt Al, der Ernie das Zaubern beigebracht hat und nun sehr ungern im Altersheim sitz. Ernies Ex-Freundin Esther macht das Looser-Quintett komplett. Sie flüchtet vor ihrer Flucht vor Ernie und ihrem Leben als Bedienung in einem Imbiss.

Claire und Al scheinen das beste Los der unter einer Autobahnbrücke hausenden Gemeinschaft zu haben. Al ist erfolgreich aus dem Altenheim ausgebüxt und Claire lernt von Ernie Zauberkunststücke. Den Job als Lehrer macht Ernie ganz gut, wären da nicht die Alpträume über seinen Bruder, der bei einem Entfesselungstrick ertunken ist. Ärger gibts es auch zwischen Esther und Nathan denn auch sie half dem Betrüger schon einmal, sein täglich Brot zu verdienen, was sie ihm natürlich immer noch übel nimmt. Besonders da sie den Schritt hinaus in die Welt unter der Autobahn in der Folge dieses Ereignisses tat.

Die Geschichte endet fast versöhnlich: Nathan landet im Knast, aber man nimmt ihm ab, auch dort sein Leben zu meistern; Al und Ernie ziehen los, um Ernie noch mehr Kunststücke beizubringen und Esther macht sich mit Claire zu ihrer Mutter auf.

"Jar of Fools", wie das Comic im Original heißt, ist ein Vertreter einer neunen Strömung bei den amerikanischen Independent Comics. Der Schwerpunkt dieser Geschichten liegt auf der Vermittlung von Stimmung statt auf Action. Genauso nehmen sich die Zeihnungen zurück. Beine bis an die dicken Bikini-Füller fehlen genauso wie knallige Farben. Alles tritt hinter den Bau einer feinen Emotionalen Ebene zurück. Ein krasses Gegenteil zu der eher oberflächlichen Realität im Land der erfrierenden Obdachlosen und des fast zwanghaften Kirchenbesuchs, das sich eher durch Reisser à la "Die Hard" in der Öffentlichkeit definiert. Keine salutierenden Überlebenden eines Himmelfahrtskommandos, welche die Welt vor einer auswechselbaren Gefahr gerettet haben, Menschen mit alltäglichen Erfahrungen werden hier gezeigt.

Diese Geschichten sind für eine in einer virtuellen Glanzwelt lebende Gesellschaft wichtig, funktionieren aber hierzulande nicht ganz so, wie in Amerika. Das liegt an der unterschiedlichen Selbstdefinition der Kulturen, die sich schon an den jeweils herausragenden Kunst-Stilen manifestiert. Die amerikanische Pop-Art war die eskalierte Schönfärberei der Kunst fern jeglicher Kritik; der Expressionismus mit seiner Zwiegestalt zwischen Kriegs-Depression und Paradies-Sehnsucht konträr und aufreizend. Aber da das Wirtschaftswunderland mit einer Verspätung von zehn Jahren den Nylonstrumpf-Spendern und Kaugummi-Gönnern nacheifert, erleben wir hier schon jetzt, was uns bald ergreifen könnte. Roland Emmerich ist da ja schon ein ganzes Stück weiter mit seiner Juden-Anbiederung und seinen wahren und salutierenden Helden (kein schöner Satz für eine kommerzielle und peinliche Tatsache).

Narren brilliert mit einer Unmenge an bedenkenswerten Zeilen: "Warum wachst Du eigentlich jeden Morgen mit einem Ständer auf? - Keine Ahnung. Ist einfach so. Männer sind so. Schwänze sind so." oder "Es tut mir ja auch gut, dich zu sehen. Zu wissen, dass es dir gut geht. - Nun, ich bin obdachlos und mittellos ..."

Narren ist ein stilles Comic und wird deswegen neben den grellen Superhelden leicht untergehen. Schade, den still muss ja nicht gleich farblos (wenn auch hier schwarz/weiß) sein.

 

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