Einst war es innovativ, einem Fiesling wie dem Joker eine eigene Serie zu widmen. Heute muss man schon etwas mehr bieten, wenn man mit Comics über böse Buben und Mädchen die Leser hinter dem Ofen hervor zu locken.
Eine Marvel-Geschichte ohne Civil War Bezug gibt es derzeit bei uns wohl nicht. Da machen die Thunderbolts keine Ausnahme. Das dieses Team vorwiegend aus Schurken besteht, ist seit dem ersten Run der Serie 1999 bekannt, was macht die Serie nach dem Krieg der Superhelden so interessant?
Es ist das Zusammenspiel zwischen leider hinlänglich bekannten menschlichen Schwächen wie Geltungssucht und Machtgier mit der Faszination übermenschlicher Kräfte. Beides alleine ist schon immer Motor vieler Geschichten gewesen, zusammen ergibt diese Mischung in den Händen eines erfahtenen Autors wie Warren Ellis eine explosive Mischung.
Das Norman Osborne (Green Goblin) psychologisch nicht ganz ohne ist gehört spätestens seit den Spider-Man Filmen zum Allgemeinwissen. Hier leitet er eine Gruppe Psychopathen mit immensen Kräften und das im Auftrag der Regierung. Da kann doch was nicht stimmen – oder? Aber das ist zunächst nicht Thema des Comics. Hier geht es um Machtspiele.
Bullseye ist wie immer völlig durchgeknallt. Da er noch schwieriger zu kontrollieren ist, als der Rest des Teams, muss er im Verborgenen arbeiten. Im Licht der Kamerascheinwerfer arbeitet Moonstone als Führerin. Den Job nimmt sie verdammt ernst und lässt sich da von keinem reinreden. Auseinandersetzungen auch innerhalb der Thunderbolts sind also unausweichlich.
Einzig den Metas implantierte Naniten halten Psychos wie Venom oder den Swordsman in Schach, aber wird das gutgehen? Wird Norman Osborne den Knopf im richtigen Moment drücken und wenn, warum wird er den Mikrorobotern den Befehl zum Ausschalten des Thunderbolts geben?
Als Gegner des Schurkenteams unter der Führung der staatlichen Gewalt agieren renitente Helden, die sich immer noch nicht registrieren lassen wollen. Ja, dieser Comic ist böse und in seiner Konsequenz darin besteht die Stärke dieser Geschichte. Hier ist Ellis bei weitem nicht so abgedreht wie in Garth Ennis in „The Boys“, aber genau das ist gut. So wirken die Gemeinheiten perfider, weil realistischer. Und da wären wir auch schon bei den wunderbaren Bildern von Mike Deodato. Der ist seit seinen Tagen als Zeichner der Wonder Woman deutlich realistischer geworden. Extreme Perspektiven, perfekte Proportionen und natürlich knackige Körper bestimmen die Seiten. Die klar von einander getrennten Panels unterstreichen die klare Bildersprache. Trotz schon zu vieler verschiedener Seitenaufteilungen bleibt dieser Comic übersichtlich.
Wie in den Marvel-Filmen darf der in Würde ergraute Urvater der Marvel Comics Stan Lee auch hier einen kurzen Auftritt haben - im Kino das macht ihm das sichtlich Spaß, und auch im Comic ringt es uns Fans ein Lächeln ab. Hoffentlich wird das nicht zur Gewohnheit, aber in Dosen genossen ist es ein netter Verweis auf die wohl in näherer Zukunft nicht enden wollende Invasion der Kinos durch diverse Marvel-Helden.