Es gibt auch Manga jenseits von DragonBall und Naruto, und wenn der Verlag Schreiber & Leser einen Manga rausbringt, dann gehört er zu diesen selten gesehenen Werken japanischer Comickunst.
Japan ist für uns Europäer selbst in Zeiten von Internet und Globalisierung immer noch etwas Exotisches. Warum sonst müssen Schriftzeichen im Japan-Look in jedem ordentlichen Science-Fiction auftauchen, warum sonst verfallen pubertierende Mädchen in Schreikrämpfe, wenn schwarz haarige Typen in zerschlissenen Klamotten eine Gitarre in die Hand nehmen? Und unser Wissen über Japaner ist doch immer noch mehr Vorurteil. Autobiografische Werke verschaffen hier nur wenig Abhilfe, weil sie eben nur die Erfahrungen von extremen Menschen zeigen, denn wer erzählt schon der Welt von seinen tiefsten Ängsten und den größten Demütigungen? Wahrscheinlich nur Japaner im Karaoke-Drogen-Rausch ;0)
Der Manga erzählt von einem Manga-Zeichner, der von seinen Dämonen verfolgt aus dem geregelten Leben aussteigen muss, sich als Obdachloser und Gelegenheitsarbeiter durch schlägt und dann zurück in seinen alten Beruf zurückkommt.
Okay, Hideo Azuma erzählt uns in seinem Comic „Ausreißer“ von seinem Leben als Versager. Das macht er recht amüsant. Dabei geht etwas unter, das er sein Leben nicht aus Überzeugung im Wald verbrachte wie ein Aussteiger, der damit eine politische Aussage machen möchte. Mit seinen Tipps, wie man mit verschimmeltem Essen sein Leben geschmackvoll verkürzt und wie man auch ohne Geld an den Alkohol kommt, hat er sicher seine Zeit als Obdachloser verarbeiten können, lächeln sollte man darüber trotz der selbstironischen Erzählweise trotzdem nicht. Eine stringent erzählte Geschichte sollte man auch nicht erwarten. Nach dem ersten Teil über sein Leben im Wald gibt es eine chronologisch davor liegende Episode über die Vorgeschichte. Leider kommt dieser Bruch ohne Vorwarnung und der Leser muss selbst den Punkt erkennen, an dem die Zeitebene sich ändert. Die nach diesem zweiten Teil kommenden Seiten haben wohl das Leben der Serie noch etwas verlängert, werden aber ohne roten Faden erzählt, was unweigerlich zum Ende der Serie führte.
Zeichnerisch ist „Der Ausreißer“ ein super Mix aus Osamu Tezuka und Flix. Sieht nett aus, ist nicht zu kompliziert und kann die Geschichte gut erzählen. Keine Experimente mit Seitenaufteilung oder Symbolik.
Alles zusammen klingt nicht sehr lesenswert, aber dieser Eindruck ist völlig verkehrt. Es ist ungemein angenehm zu lesen, weil deutlich realistischer als „Sechshundertsechsundsiebzig Erscheinungen von Killoffer“ und eindringlicher als „Held“. Dass dieser Comic keine Massen wie der straßentaugliche Mainstream-Manga erreichen wird, ist leider absehbar. Darum ist der etwas hohe Preis verständlich.