Tim und Struppi kennt jeder Comic-Freund. Dass hinter dem Comic Menschen stehen, erkennt man meist zu selten. So ist es der trotz der gewöhnungsbedürftigen Bilder fesselnde Blickwinkel, den der Leser zum Thema Comic erlesen darf, der diesen Comic auszeichnet.
Wie lebte jemand, der Comic mit Kultstatus kreierte? Natürlich ist dem Band die Anerkennung seiner Macher gegenüber dem Helden der grafischen Erzählung Hergé anzumerken, aber die vielen nicht nur positiven Details aus dem Leben von Georges Remi machen das hier gezeigte Bild glaubhaft.
Da gibt es dem Alkohol zugeneigte Geistliche, Nazikollaborateure, Ehebruch, Zensur, Selbstzweifel, Lebenslust und viel mehr - angenehm weit weg von einer beschönigenden Anbetung eines Kunst-Gottes.
Als Comic auf sich allein gestellt kann diese Geschichte nicht überzeugen. Die Erzählung stolpert übergangslos von einer Schilderung in die nächste, kaum werden Bezüge aufgebaut und ein Spannungsbogen existiert einfach nicht. Die Zeichnungen sind im Sinne der Ligne Claire und somit ganz in Hergés Sinne, aber falsche Perspektiven und fehlende Details passend dann doch nicht.
Aber „Die Abenteuer von Hergé“ wollen auch kein normales Comic sein. Hier wird eine Ikone der neunten Kunst vom Podest geholt und ins Leben gestellt. Da wird aus dem Begründer der Ligne Claire ein gescheiterter Reporter. Die Darstellung des Mobs, der nach dem Ende der Besatzung im Zweiten Weltkrieg Kollaborateure totprügelt, ist ebenso eine politische Aussage wie Hergés wunderbares Pamphlet an seiner Haustür „Die Staatssicherheit war bereits hier, ebenso Widerstandskämpfer, sowohl zu Fuß als auch mit dem Wagen, die Polizei und die Gendarmerie. Nun lasse man mich bitte in Ruhe!“. Die vom Kolonialismus geprägten erzieherisch angelegten ersten Bände werden ebenso neutral in Bild gesetzt wie die vielen widersprüchlichen Anklagen an den Autor in späteren Jahren von Linken und Rechten - man kann es meist nur allen unrecht machen.
So ist dieser Band eine wunderbare Erinnerung daran, dass auch hinter netten Geschichten nur normale Menschen mit besonderen Fähigkeiten stecken. Eine einnehmende, weil eben nicht nur glorifizierende, Präsentation einiger Passagen aus dem Leben eines der wichtigsten Männer des Comics. Diese Fragmente machen Lust, die vielleicht schon alten Alben wieder herauszunehmen und nun mit etwas anderen Augen zu lesen.