Meine Leute, mein Getto, meine Verantwortung - das sind nicht nur Worte, das ist ein Lebensgefühl. Vielleicht gab es das nie so richtig, vielleicht gibt es diese Verbundenheit nur unter denen, die es nicht immer so genau mit dem Gesetz nehmen können - aber es bleibt ein schönes Ideal.
„Astro City - Ein gefallener Engel“ erzählt genau so eine Geschichte. Obwohl es eine Superheldengeschichte ist, fühlt sie sich verdammt alt erzählt an. Das könnte am auf alt getrimmten Cover mit seinen aufgedruckten Rissen und dem mit Pixeln erschaffenem zerfleddertem Papier liegen, oder eben an der schon erwähnten alten Idee von der Ehre unter Dieben. Carl ist ein Mensch aus Blut und Stahl, unglaublich zäh und 400 Kilo schwer. Besonders helle ist er nicht, aber die Leute aus seiner Gegend kratzen trotzdem all ihre miekrigen Rücklagen zusammen und heuern ihn als Privatdetektiv an. Dabei ist Carl gerade eben aus dem Knast wieder raus. Soll er lieber das Angebot auf einen schnellen Job in seinem alten Metier annehmen oder rauskriegen, wo all die alten Freunde geblieben sind, die nach und nach von der Bildfläche verschwinden? Carl entscheidet sich für Schmerzen und die vielen Leute, die er früher immer auf der Straße gesehen hat. Und für seine Mutter, die immer wollte, dass ihr Sohn auch mal einer von den Guten sein würde - von den „Engeln“, wie sie die Helden immer nannte, wenn sie über den Dächern von Astro City für Ruhe und Frieden sorgten.
Er macht also das Richtige, aber selbst in einer Welt voller Helden gibt es Intrigen und Neid - sogar unter den Engeln. Liest sich wie das Resumee der meisten Mythologien und irgendwie sind die modernen Superheldengeschichten, wenn sie gut sind, etwas dreckiger und emotionaler als früher. Das muss ja nicht unbedingt in Blut-und-Gedärm-Orgien wie bei den ersten Marvel Max Titeln enden. Astro City ist eher eine leicht zu konsumierende Version der „Watchmen“, nicht so analytisch und innovativ, dafür lesbarer.
Obwohl diese Strömung des Superheldencomics noch gar nicht so alt ist, fühlt sich „Der gefallene Engel“ alt an. Das beginnt mit den alten Häusern in Carls Umgebung. Mehr als fünf Stockwerke scheint es hier nicht zu geben, Feuerleitern zieren die Rückseiten der Backsteinbauten. Auch die Helden dürfen altern. Kein ewig junger Spider-Man, sondern Super-Eltern mit Super-Kindern und Super-Pubertäten. Und so alt, wie das Feeling hier ist, so klar ist das Ende: Carl löst den Fall, rettet seine Leute und endet als einfacher aber glücklicher Mann. Spannend, bewegend und unterhaltend ist der Weg zu diesem Ende.
Die Bilder erzählen stimmig die Geschichte mit. Teilweise sind vor allem die Gesichtsausdrücke leicht bis stark vorbei an realen Proportionen, aber sie können erzählen. Auffällig ist die Grundidee vieler Seiten, ein Panel seitenbestimmend zu machen. Dieses Panel bildet neben dem eigentlichen Bild den Hintergrund für die restliche Seite. Ist nicht neu, aber selten sieht man diese Layout-Idee so durchgängig umgesetzt. Dabei wirken die Seiten nie überfüllt oder diffus, Klarheit bestimmt das Design. Da wirken selbst die Action-Sequencen ruhig. Das passt einfach gut zur Geschichte und so sprechen Bilder und Texte eine Sprache - keine verwirrenden Parallelebenen wie bei den schon erwähnten Watchmen, aber dieser Comic will erzählen und dabei auch unterhalten, und das schafft er so am besten.