"Best of Marvel" ist der Titel der neuen Trade-Reihe bei Panini-DC. Den Anfang macht die vielgerühmte Miniserie "Wolverine Origin". Die war mit insgesamt über 18 Euro nicht eben billig, aber mit den kartonierten Covern ansprechend und dem Preis angemessen edel produziert. Nun gibts das 160-Seiten-Werk als günstigeren Trade – zugreifen! Denn:
Wolverine ist wohl der bedeutendste Charakter der X-Men überhaupt. Übellaunig und Bier trinkend, mit einem Herz aus Gold und fast unbezähmbarer Wut ist es der vielschichtigste und lebendigste unter den Mutanten. Die Leser litten mit ihm, als der seine japanische Liebe verlor, bewunderten sein Einfühlungsvermögen, als er die jungen Phase oder Jubilee tröstete und waren vor allem an seinem bisher nicht erzählten Werdegang interessiert. Mit "Weapon X" wurde wenigstens erklärt, wie er zu seinem Adamantium kam. Doch wo kommt Logan her, wer waren seine Eltern?
Hinter diese Fragen soll "Wolverine Origin" Licht bringen. Und das tut die Geschichte. Der Name Quesada bei den Autoren steht für frischen Wind in der Comic-Industrie. Den Namen hat er zu recht und beweist hier, dass man Origin-Stories auch außerhalb ausgetretener Comic-Traditionen erzählen kann.
Es beginnt in einem englisch anmutenden Herrenhaus. Pferdekarren und die Eisenbahn sind die vorherrschenden Transportmittel. Das Szenario ist an "Der geheime Garten" angelehnt. James ist ein kränkelnder Spross einer nicht nur körperlich kranken Familie. Die elternlose Rose wird als Spielgefährtin für den Jungen eingestellt. Als drittes Kind befindet sich noch der Sohn des Arbeiters Logan auf dem Anwesen. Die drei bilden eine anfangs funktionierende Notgemeinschaft. Aber Rose hat irgendwie Angst vor Logan und dessen Sohn. Es bahnt sich eine Tragödie an, die in einem Blutbad explodiert. Rose muss mit dem völlig verwirrten James fliehen. Sie verstecken sich in einer Goldgräbersiedlung. Doch die Vergangenheit und deren menschliche Verfehlungen holen die Beiden rasch ein. Wer später einmal den Namen "Wolverine" annehmen wird, wollen wir hier nicht verraten. Die Autoren schicken den Leser im ersten Teil der Geschichte auf jeden Fall gehörig auf den Holzweg, und auch der Schluss hat noch eine Überraschung auf Lager.
So viel Kummer und Trauer sind in dieser Geschichte, dass man weinen möchte. Irgendwie hatte man sich diese lange gewünschte Origin-Story des beliebten Helden doch freundlicher und heroischer vorgestellt. Aber gerade da liegt ja Quesadas Ruhm begründet: Erwartungen nicht zu erfüllen und mit neuen und lesenswerten Konzepten positiv zu enttäuschen.
Dieses besondere Superheldencomic ist erzählt in gleichsam wenig alltäglichen Bildern. Kubert ist ein Name voller Bedeutung in der amerikanischen Sprechblasen-Historie. Während das Urgestein Joe Kubert mit seiner Version des Batman in Stan Lees Serie "Just Imagine" enttäuschte, kann Andy Kubert voll überzeugen. Altertümlich genug, um dem von der Story gesetzten Rahmen zu entsprechen, abwechslungsreich an Perspektiven und perfekt in den Bewegungen. Die Seitenaufteilung ist traditionell klar und funktionell. Ein "Zwei Panels in vier Zeilen"-Grundgerüst wird immer wieder variiert, Splashpages pointieren die wichtigsten Ereignisse. Kubert versteht es, mit seiner Ordnung den Fluss der Handlung zu unterstreichen. Aber das phantastischste an Wolverine Origins sind die Farben. Wie schon im wunderschön daherkommenden Superman – der letzte Sohn der Erde wurden hier die Farben direkt über die Bleistiftzeichnungen gelegt. Das Fehlen er Inks macht jedes Panel zum Gemälde. Es beginnt ohne Aussage einfach bunt, als die Geschichte düster wird, ziehen die Farben mit. Plötzlich werden die Seiten "einfarbiger", die Farben dreckiger. Das ist einfach rundum passend.