Vorurteile helfen uns, die tagtäglich auf uns einstürzende ungeheure Flut an Informationen zu verarbeiten. Sie kanalisieren, trennen wichtige von unwichtigen Details, erkennen bekannte Eindrücke und reduzieren so die Daten- bzw. Informationsflut. Nur deswegen findet sich der Mensch in der Welt zurecht. Vorurteile sind gut – aber man muss sie von Zeit zu Zeit auf ihre Richtigkeit hin überprüfen.
Eagle ist ein Manga. Die sind kawai (niedlich) – das stimmt oft, hier aber nicht. Dann sind Mangas heroische Geschichten von echten Helden – stimmt oft, hier aber nicht. Kurz und gut – Eagle ist neben "Monster" momentan das überraschendste Manga.
Kenneth Yamaoka ist Amerikaner mit asiatischer Abstammung. Er will unbedingt amerikanischer Präsident werden. Die zweite Hauptperson dieses unterhaltsamen Polit-Comics ist Takashi Jo. Er ist Lokal-Journalist in Asien und eher unbedeutend. Er lebt bei seiner Mutter, die mit einem kleinen Restaurant die Familie über Wasser hält. Sein größter Wunsch ist es, seinen Vater kennenzulernen. Von dem hat er nur ein einziges Bild, das auf der Kommode im Wohnzimmer steht. Doch dann kommt seine Mutter bei einem Unfall ums Leben - und plötzlich fehlt auch noch genau dieses Bild. So aus der Bahn geworfen, macht sich der Junge eigentlich keine große Gedanken, als er von Yamaoka gebeten wird, dessen Wahlkampf exklusiv zu begleiten. Eine Bedingung und eine Überraschung: Der jhgzp_content darf erst nach Yamaokas Wahl erscheinen und der gibt sich als Takashi Vater zu erkennen.
Das könnte zu einem recht normalen Manga um wahre Helden und liebreizenden Herzschmerz führen. Der asiatische Außenseiter wird Präsident, weil er aufrecht und gut ist und unser junger Held bekommt die Liebe seines Lebens in Form der Adoptivtochter von Yamaoka. Glücklicherweise nimmt dieses Comic nicht den ganz einfachen Weg. Zuerst wird die Figur des Kandidaten fast bis ins Komische überzeichnet. Der nach außenhin gute Mensch, der seine ganze Güte aber eigentlich nur als gut geprobte Aufführung für die Öffentlichkeit inszeniert. Doch Ende des ersten Bandes kippt die Geschichte und es entwickelt sich eine bisher im Manga ungekannte Tiefe. Die Politiker reisen wie die Wilden durchs Land, immer den Wählerstimmen nach. Taktische Entscheidungen wiegen mehr als politische Ziele – fast wie im echten Leben. Dabei gewinnen die Figuren von Seite zu Seite mehr Zeichnung. Yamaoka schießt einen Mitbewerber ab, indem er diesem ein außereheliches Verhältnis nachsagen lässt. Da fragt sich Takashi, ob er, als unehelicher und lange Zeit vergessener Sohn, nicht auch ein Stolperstein auf dem Weg des Kandidaten sein könnte. Und war der Unfall, der seine Mutter das Leben kostete, wirklich ein Unfall? Und warum fehlte danach das einzige Bild, welches Kenneth mit Takashis Mutter und mit dem verlorenen Sohn selbst in Verbindung bringen könnte?
Eine Story mit Potential also. Leider sind die Wege eines Manga vorwiegend von der Gunst und den Wünschen der asiatischen Leserschaft abhängig. Das erklärt auch den Umbruch von Groteske zu Polit-Thriller im ersten Band. Hoffentlich haben sich die Leser des Originals noch lange an diesem Konzept der Unterhaltung mit politischem Inhalt erfreut.