Das neue Comic-Universum Crossgen hat das erste Vierteljahr in Deutschland bestanden. Was für den amerikanischen Comicleser nicht neu ist, beeindruckt den deutschen Leser auf jeden Fall. Mit Sigil, Scion, Mysthic und Meridian ging ein neues Label gleichzeitig mit vier neuen und miteinander verbundenen Serien an den Start. Im Heimatland des Verlages feierte man im ersten Jahr einen Erfolg nach dem anderen, was neue Leser und neue Kreative lockte und heute steht man mit 13 laufenden Serien als nicht mehr allzu kleiner Verlag neben den Großen der Branche gut im Geschäft.
Der Grund-Plot ist einfach gestrickt: Zwei Städte die von zwei Brüdern regiert werden. Meridian ist ländlich und lebt vom Schiffsbau, die Menschen sind glücklich und werden vom gütigen Turos weise regiert. Der nicht von allen Untertanen geliebte Ilahn dagegen führt Cadador mit eiserner Stränge. Am Vorabend der Invasion Cadadors in Meridian stehen die beiden Brüder auf einem Balkon und werden von einem Vogel überrascht. Er verleiht beiden das Mal der Macht, was für den alten Turos zu viel ist. Sephie erhält dessen Mal und damit die magische Kraft, als sie ihren Vater ein letztes Mal umarmt. Ilahn nimmt die junge Frau in seine Obhut, man könnte auch sagen, er entführt sie. Trotz des Trauerfalls annektiert der Böse das Paradies, dessen Bürger in die unteren Gefilde Meridians fliehen können. Nach einiger Zeit hält es die junge Sephie nicht mehr bei ihrem bösen Onkel aus und flieht zu ihrem Volk nach Meridian.
Das klingt nicht gerade neu und wird mit fliegenden Segelschiffen (kennen wir aus "Magic") und fliegenden Felsbrocken (das Computerspiel "Nomad", die Plattencover der Band "Yes") mit bekannten Fantasy-Zutaten garniert.
Was die Serie heraushebt, sind die stimmungsvollen Bilder. Die Zeichnungen erinnern in ihrer Leichtigkeit an "Ghost" oder "Leave it to Chance". Einfach lieb mit einem Hang zum Jugendstilschnörkel: Passt wunderbar zur jungen Heldin. Die eigentlich flächigen Bilder erhalten ihre plastische Wirkung durch die gewohnt perfekte digitale Einfärbung. Die Farben spielen eine wichtige Rolle, Cadador ist in der Summe grau und gebrochen, wogegen Meridian in frischen einfachen Farben dargestellt wird.
Ganz der vorsichtigen und hundertfach erprobten Vorgehensweise entsprechend endet mit dem dritten Band der erste Story-Bogen. Drei Monate im Voraus muss man in Amerika die Comics ordern, und deswegen muss man auch die Comics für drei Monate im Voraus produzieren. Verkaufen sich die Hefte überhaupt nicht, kann man, ohne die Leser allzusehr vor den Kopf zu stoßen, die Geschichte mit einem vieleicht nicht ganz befriedigenden, aber immerhin mit einem Ende aufhören lassen.
Meridian macht vor allem wegen der angenehmen Zeichnungen richtig Spaß. Barbara Kessel macht ihren Job routiniert, aber zum Begin des Crossgen-Zeitalters ging man in Amerika noch keine Experiment ein.