Bei dem heutigen Überangebot an "Erwachsenen-" und überhaupt Comics erinnert man sich nur noch selten an die Zeiten, in denen Mickey-Mouse und Supermann das Niveau der angebotenen Bildergeschichten charakterisierten. Hier und da fand man, oft aus Zufall, mal ein etwas anderes Comic. Ertragreichstes Fundgebiet waren damals die linken oder roten Buchläden, denn die Verlage, die es wagten, statt der unverfänglichen Unterhaltung wie Asterix und Biene Maja, Geschichten um Sex, Drogen und soziale Verhältnisse zu veröffentlichen, kamen alle aus der linken Ecke. In dieser Tradition steht auch heute noch der Rotbuch Verlag.
Die meist Ein-/Zwei-/Dreiseiter in "Rascal & Lucille" drehen sich um Sex, Drogen und den alltäglichen Krampf mit dem Leben. Das ganze aus der Sicht der Berlinerin Ziska. Themen sind im einzelnen z.B.: Verhütung, Parfüm, Titten, Werbung, Anspruch und Realisierung. Wie bei Einseitern üblich hat jede Geschichte eine Pointe - oder es ist jedenfalls eine beabsichtigt.
Möglicherweise liegt es an meiner Zugehörigkeit zu der männlichen Unterart der Gattung Mensch, daß ich nur dreimal so richtig lächeln konnte. Für mich zünden die meisten Gags nicht richtig.
Im Stil der Brüder Hernandez ist Ziskas Bildersprache direkt und schnörkellos. Schön bunt ist alles ebenfalls. Während der illustrierte Schmutztitel mit knackigen jungen Körpern dem Voyeur Hoffnung macht, wird derselbe im Inhalt auf jeden Fall enttäuscht. Gut so, anders würde es nicht zum Gesamtton passen.
Was mir etwas fehlt, ist der Themenbereich Schule/Beruf/Geld. Ohne diese grundlegenden Übel unserer Zeit ist eine politische, witzige, ernste, sachliche oder wie auch immer geartete Betrachtung unseres Lebens nicht stimmig.
Insgesamt ambitioniert, interessant, bunt, aber nichts für alte Chauvis. Eher was für junge Leute, die das Leben mal aus einer anderen Sicht als aus der Bravo-Perspektive sehen wollen und dafür zwanzig Mark übrig haben.