56 Seiten / DM 19,80
Den unangefochtene Gott im Dichter-Olymp in einem Comic-Strip
verheizen?
Konservativen Goethe-Freunden wird das Blut in den Adern gefrieren bei solchem
Teufelszeug.
Wer sich aber den beiden ordentlich verlegten Bänden aus dem
Hause Ehapa mit einer gewissen Unvoreingenommenheit nähert, wer zulässt, dass
sich "Johann Wolfgang von" auch über die Siebte Kunst erschließen lassen könnte,
wer sich an bunte Striche und neckische Bildchen in einem Dichterleben, das
sich uns heute vorrangig über hochpreisige und mit schweren Einbänden im Bücherregal
lagernden Prachtbänden präsentiert, gewöhnen kann, dem entdeckt sich in "Goethe
- Zum Sehen geboren" ein ganz besonders reizvoller, weil außerordentlich ungewöhnlicher
Weg zum großen Dichter und Denker.
So betont der Präsident des Goethe-Instituts, Hilmar Hoffmann,
in seinem Vorwort die Hoffnung, "dass dieser Comic neugierig macht auf Leben
und Werk eines Mannes, der vor zweieinhalb Jahrhunderten geboren wurde und
uns allen heute noch viel zu sagen und zu zeigen hat".
Die
nachfolgenden 18 Doppelseiten sind durch Zweierlei gekennzeichnet. Da sind
zunächst die einfühlsamen, stilsicheren Bilder aus der Feder von Christoph
Kirsch, denen jeder übertriebene Pathos ebenso abgeht, wie eine allzu große
Beschränkung auf das Schemenhafte.
Er stellt den Dichterfürsten vor, zeichnet im eigentlichen Sinne des Wortes
seine Kindheit, Jugend und frühen Lebensjahre, seine Zeiten in Weimar und
die Italienische Reise nach, wobei er sich jedes Kommentars enthält: Objektiv
und distanziert wie ein außenstehender Betrachter der Szenerie nimmt er auf,
was vorhanden und verzichtet auf all das, was durch Legendenbildung der letzten
Jahrhunderte dazu erfunden und im Streben glamouröser Übertreibung dem Dichter
selbst angedichtet wurde.
Hinzu tritt ein Text, der - sieht man einmal von den geschwungen
gekennzeichneten Zitaten aus den verschiedensten Werken des Meisters ab -
zwar überhaupt nichts von der hohen Sprache unseres Vorzeigeschreibers hat,
der aber in der angemessen sachlichen Weise in das Leben, auch in die Gedankenwelt
Goethes einführt.
Friedemann Bedürftig, der diesen Beitrag leistete, wandelt dabei zwar immer
hart an der Grenze zur fast unziemlichen Nüchternheit, findet aber stets zum
rechten Ton zurück.
Der erste Band behandelt die Zeit von der Geburt Goethes im
Jahre 1749 in Frankfurt, die ersten Gehversuche mit Kasperletheater und Gedichten
für den Opa Textor, die Studienzeiten in Leipzig und Straßburg, die Weimar-Ära,
die Flucht aus Karlsbad und die Reise nach Italien bis zu seiner Rückkehr
nach Weimar im Juni 1788.
Die zahlreichen geistigen Einflüsse werden in Zusammenhang zu
den Werken des Meisters aus dieser Zeit gesetzt, Eindrücke mit den Hinweisen
auf spätere Auswirkungen verknüpft.
So entsteht eine Biographie, die sehr werkgeschichtlich daherkommt,
die den heute noch fasslichen Goethe (den aus dem Bücherschrank) in einem
damaligen, wirklichen Goethe reinkarnieren lässt - eine äußerst gelungene
Reise in die Vergangenheit.
Dem eigentlichen Comic sind ein doch etwas zu stichworthafter
Lebenslauf und einige Werkproben - diese übrigens in Deutsch, Englisch, Französisch
und Italienisch - beigegeben.
Den zweiten Band "Zum Schauen bestellt" werden wir
im Oktober besprechen.
Der Ehapa-Verlag hat im Rahmen
seiner InterNet-Präsentation einen eigenen
Bereich für dieses Comic eingerichtet.