Wir kenne Jaques Tardi als engagierten Kriegsgegner, Freund düsterer Krimis der auch gerne mal seine Heldin Adele in haarsträubend verwirrt erzählte Geschichten voller Monsteramöben schickt. Seine Figuren mit den dicken Fingern und den fetten Nasen, die allerdings nichts mit lustigen Knollennasen zu tun haben, muss man mögen denn schön sind sie nie. Aber sehr französisch. Da darf die kleine Kneipe mit den dreckigen Gläsern genauso wenig fehlen wie der Postbote mit der kleinen Tasche auf dem Rücken.
In „Das Geheimnis des Würgers“ geht es mal wieder um einige Morde, ein wenig Gesellschaftskritik, die Lust am Erzählen und darum, wie man den Leser am besten in die Irre führen könnte, wenn der den Täter nicht von Anfang an kennen würde. Das ist nämlich Esbirol, und der wartete schon eine kleine Ewigkeit darauf, seine Mordfantasien auszuleben. Als die Polizei streikt und Paris seit Tagen im Nebel gefangen ist, schreitet der Mann zur Tat.
Mit der Zeit beginnt man den brutalen Mörder zu mögen, vielleicht auch nur, weil alle anderen Personen irgendwie auch nicht wirklich sympathischer gezeichnet sind. Da beantwortet sich die Frage aus dem Comic „Kann es einen abstoßenderen Menschen geben“ sehr schnell mit einem zaghaften „Ja“. Nicht zuletzt weil unser Würger plötzlich einen Sidekick bekommt. Alfie ist Schüler, dick und blöd, aber zwischen den beiden ungleichen Männern entwickelt sich eine seltsam plausible Beziehung.
Die Seiten sind gespickt mit Anspielungen, von denen einige auch erklärt werden. So Symbole aus dem französischen Widerstand oder einige Persönlichkeiten, die dem deutschen Leser einfach nicht so geläufig sind, wie dem aber dann doch wohl eher gebildeten Franzosen.
Am Ende war doch alles ganz anders. Das ist so krude zusammengeschustert, dass man fast Ehrfurcht vor dieser plakativen Missachtung eines nachvollziehbar erzählten Krimis bekommt. Die Geschichte erschien als Fortsetzung in dem französischen Magazin „Der Würger“. In Etappen macht die Geschichte auch deutlich mehr Spaß als am Stück. Um dieses Erlebnis der unerwarteten Wendung nach einiger Zeit des Wartens etwas nachfühlbar zu machen, gibt es in dieser Zusammenstellung der Episoden gleich mehrere Enden, aber um die erleben zu können muss sich der Leser überwinden und die letzten Seiten aufschneiden.
Nicht ganz so extraordinär sind die vielen Textlastigen Seiten im Stil einer Zeitungsseite. Hier werden Tipps gegeben, falsche Fährten gelegt und gleich mal auf der ersten Seite die Dummheit der Polizei karikiert. Die halten nämlich ein Transparent bei einer Demonstration verkehrt herum. Aber die Dummheit im Allgemeinen ist ja ein beliebtes Thema von Tardi.
Wer diesen Band lesen will, sollte sich und das Krimi Genre nicht all zu ernst nehmen. Immer wieder erklärt der Comic, warum man denn nun bisher mit seinen Vermutungen völlig daneben lag. Nur um auf den nächsten Seiten eine noch viel haarsträubendere neue und sehr wahrscheinlich falsche Fährte zu legen. Wer an solchen Verwirrspielen seinen Spaß hat, wird hier auf das vorzüglichste bedient.
Kein Krimi wie jeder andere und deswegen für Menschen mit einem ordentlichen sinn auch für Selbstironie ein Genuss.