Mouse Guard versucht sich erzählerisch wackelig auf dem schmalen Grad zwischen Kinderbuch und Action-Fantasy. Warum begeistert ein Comic, der deutliche Fehler hat, so sehr?
Da überschlagen sich die Rezensenten und der Verlag erfreut den Leser mit einer amerikanischen Independent-Produktion im ungewöhnlichen Quadrat-Format. Aber was macht die Faszination von kämpfenden Mäusen aus?
Nein, hier wird zwar eine Spezies vermenschlicht, aber so bieder wie bei „Bernhard und Bianca“ geht es hier nicht zu. Da kommt eher der Fantasy durch oder es ist ein mittelalterliche Krimi mit Mäusen. Es ist die Mischung aus niedlichem Getier und hammerharter Story, ganz in der Tradition von "Die Mäuse von Deptford" nur etwas härter. Da werden die putzigen Knopfäuglein eiskalt wenn gemeuchelt und gefoltert wird.
Mouse Guard erzählt die sehr erwachsene Geschichte von einem Führer, der seiner Welt den richtigen Weg aufzwingen will – egal was und wie viel Leben das kostet. Doch zur Rettung der Guten und der Freiheit gibt es die Mäusewache. Moment - „Mäusewache“? Dieser Comic heißt doch Mouse Guard! Ja, da ist Cross Cult nicht ganz konsequent, aber das amerikanische Mouse Guard klingt halt nicht ganz so kindlich wie eben „Die Mäusewache“, obwohl gerade dieser Titel den Kontrast dieser Geschichte unterstrichen hätte.
Auch die Art, wie erzählt wird, ist zu Beginn noch nah am Kinderbuch. Als sich die Helden vor einer Schlange retten, zeigt ein „aufgeschnittener“ Baum den Verlauf des Rettungsweges. Doch warum wird dieser Weg so explizit gezeigt? Das der Weg die drei Mäuse nach oben führt hat keinerlei Bedeutung für die Geschichte und es wird nach diesem Bild auch überhaupt nicht weiter benutzt. Da hätten zum Beispiel die Mäuse von oben schauen können, ob die Schlange noch vor dem Baum wartet. Das ist auch nicht die letzte holproge Stelle in der Erzählung. Da wird der Leitsatz der Mäusewache zitiert „Nicht wogegen du kämpfst ist wichtig, sondern wofür.“ Später taucht der Satz noch einmal auf, könnte die Bedeutung des Raumes, der da gezeigt wird unterstreichen, aber die Mäuse rennen einfach so unter ihrem Motto durch. An dieser Stelle wird auch endlich erklärt, wo die Helden den Feind kennen lernten – leider nur für Menschen die Englisch lesen können.
Und trotz aller selten gehörter Kritik ist dieser Comic wunderbar. Wer die ersten Seiten gelesen – nein, gesehen – hat, kann sich der Magie Petersens Bilder nicht entziehen. Zu Beginn sind es die knuddeligen Splashpages der wehrhaften Mäuse. Wie der kleine Zinnsoldat stackelt sich da eine Maus in einer sehr harmonischen Landschaft auf einem Blatt dem Abenteuer entgegen. Dann begeistert der Mix aus Action und asiatischen Rüstungen und nicht nur ein Hauch von Frank Millers „Ronin“ zieht in die Mäusewelt ein. FANTASTISCH!
Da fallen Kleinigkeiten wie die nicht ordentlich unterschnittene Jahreszahl auf dem Cover nicht ins Gewicht (die hier auch verwendete Coverabbildung von der Verlagsseite zeigt übrigens nicht das aktuelle Cover). Ein weiterer Stolperstein: Auf den Extraseiten sehen wir mehr aus der Welt der Mäuse, zum Beispiel arbeitende Mäuse bei ihrer Arbeit. Warum ist bei dem Titel „Die Berufe der Mäuse“ nicht der in der Geschichte zu sehende Kerzenzieher dabei? Egal, dieser Comic ist toll!