Beim ersten Durchblättern wirkt dieser Comic sehr alt. Der Eindruck bleibt auch nach dem Lesen erhalten, aber von einer anfänglich „naja, wirkt das alt“ wandelt sich das Gefühl um den sachlich richtigen Ausdruck „alt“ in eine „so gut waren alte Comics“ Einsicht.
Es beginnt mit dem Augenscheinlichen: Die Zeichnungen sind das Gegenteil von modern. Sicherlich war auch ein Hergé mal modern, oder vielleicht sogar ein Hal Foster - Griffo wirkte schon vor 20 Jahren irgendwie alt. Seine verspielten Striche umreißen mehr die Szenerie, als das sie gezielt auf den Punkt arbeiten. Die dünnen Texturen wirken wie zufällig dahingemalt und vor allem die knalligen Farben wollen so gar nicht in die moderne, von Computercolorierung bestimmte Main-Stream Welt der Comics passen. Wollen sie wahrscheinlich auch nicht und haben es auch nie gewollt. Obwohl Griffos Bilder oft leicht neben der richtigen Perspektive liegen, erzählen sie. Da kniet eine leicht zu große Mutter am Bett ihrer hilflos glücklichen Tochter als schützende Göttin um später in einem zerbrochenem Fensterrahmen unterhalb der Bildmitte unter der auf sich geladenen Schuld von der Gefahr der Glassplitter fast erdrückt zu werden. Da wird der klassische Seitenaufbau durch ein zu großes Bild aufgebrochen nur um dessen Bedeutung und den darin nur durch ein Paar in der Luft hängender Schuhe angedeuteten Erhängten noch mehr hervorzuheben. Das ist altmodisch und gut, passt zu der altmodisch politischen Geschichte im nicht mehr aktuellen linken Grundton. Das ist das erzählerische Gegenteil eines Action-Knallers wie „Demolution Man“, dem man seine literarische Nähe zum Klassiker des politisch orientierten Science-Fiction „Brave New World“ nicht mehr ansieht.
„Das verbotene Glück“ ist und will eine gezeichnete Version der in Huxleys Buch präsentierten Dystopie sein. Aber van Hamme ist sehr viel näher an der Realität, was dem Leser nach nur wenigen Seiten fast schmerzlich bewusst wird. Der Comic liest sich wie eine leicht ironisch/satirisch übersteigerte Version der deutschen Version des realen Kommunismus, bleibt aber nicht im für Wessies ungefährlichem weil nicht gelebten Osten. Ferien gibt es auf Zuteilung, wer viel fragt wird ausgegrenzt, wer der Idee des Staates nutz, wird durch Privilegien belohnt. Andersdenker werden subtil aber erbarmungslos aus der Gesellschaft gedrängt. Das stößt einem das Wasserjoggen im massenkompatiblen Billigurlaub aus der Dauerfernsehwerbung doch bitter auf - ist „Das verbotene Glück“ wirklich nur eine erfundene Geschichte?
Das 172 Seiten große Buch wiegt schwer, nicht nur im Magen, sondern dank des Hardcovers auch in der Hand. Die zu Beginn lose aneinander gereihten Episoden fügen sich am Ende zu einem Nicht-Happy-End zusammen. Plötzlich sind die kleinen Dinge, die uns das alltägliche Leben erleichtern, nicht mehr ganz so nützlich. Wer etwas weiter denkt, der wird in Googles Toolbar, die jede Abfrage aufzeichnet, so ein Bild des sie benutzenden Menschen erstellt und dieses einer von der Marktwirtschaft regierten Welt zur Verfügung stellt als reale, bequeme und fast unmerklich lenkende Verführung ansehen können. Wer sich früher der Volkszählung verweigert hat und heute das Internet benutzt, muss sich fragen lassen, ob er seine alten Ideale über Bord geworfen hat oder diesen Aspekt der neuen digitalen Welt noch nicht zu sehen bereit ist. Van Hammes Comic ist so alt, das er diese Entwicklungen nicht vorausgesehen hat. Allerdings ist die Idee, alle Plastikkärtchen auf nur noch eine alles dokumentierende Karte zu reduzieren, greifbar nahe und in ihrer Bequemlichkeit verlockend. Hier übersteigert der Autor die Gefahr dieser Entwicklung, aber so weit weg vom „echten Leben“ ist er dabei leider nicht mehr.
Alles Gute bringt in der Gesamtausgabe die schon bei Feest begonnene Albenreihe zum Ende. Als Einzelbände waren die beiden ersten Bände mit ihren losen Episoden etwas zu lehrmeisterlich und der dritte Band wäre deplatziert wie eine verspätete Entschuldigung. Als Gesamtausgabe wirkt alles geplant und rund - wieder ein angenehm alter Aspekt bei der heute auf Fortsetzungszwang designten Produktionen auch aus Frankreich.
Van Hammes Schlusswort aus dem Jahr 2000 ist beruhigend kritisch. In angenehmen Ton deutet er auf die immer noch aktuelle Aussage seiner fast dreißig Jahre alten Geschichte hin.