Okay, das ist schon geil, wenn das Mädel neben einem beim Anblick der untoten Menschenfleischesser in Action in seiner Not menschliche Nähe sucht. Da nimmt man das unappetitliche Schmatzen und Gurgeln der ziemlich bescheuerten Wackler gerne hin. Aber neben den Splatterszenen gab es ja in einigen Zombiefilmen auch einen gesellschaftspolitischen Hauch – und waren die Sequenzen, als die Überlebenden sich ihrer Situation bewusst wurden und über ihre Zukunft nachdachten nicht eh die Interessantesten?
Das muss sich auch der Autor Robert Kirkman gedacht haben. In seinem „The Walking Dead“ gibt es natürlich auch die Zähne toter Menschen in den Hälsen noch lebender Artgenossen, aber das ist sehr leicht erkenntlich eher das Szenario, vor dem sich allerlei Zwischenmenschliches abspielt. Im Mittelpunkt steht der Polizist Rick Grimes. Er wurde bei einer Schießerei verletzt und lag so um die 28 Tage im Koma – oder so ähnlich, sollte sicher eine Hommage sein. Als er aufwacht, ist er der einzige Mensch mit der Fähigkeit, komplette Sätze zu reden. Die restlichen Menschen sind madenzerfressen und ziemlich einsilbig und fleischeslustig. Der Beginn ist also mehr als bekannt.
Aber es kommt halt drauf an, was man draus macht. Das gilt nicht nur für Beton. Kirkman ist momentan der Rezensenten Liebling und konnte schon für seine anderen Arbeiten, darunter das erst kürzlich auch auf Deutsch erschienen Marvel-Team-Up, Lorbeeren einheimsen. „The Walking Dead“ ist eher ruhig. Klar gibt es eine unglückliche Liebe. Ricks Polizeipartner hat während der ersten gefährlichen Zombie-Tage Ricks Frau beschützt und macht sich nach einer Liebesnacht mit der Geretteten große Hoffnungen auf ein Leben in Glücklicher Dreisamkeit mit Ricks Frau und dessen Sohn. Aber Rick findet natürlich seine Frau und zerstört so des Partners Zukunftsträume.
Und Träume gibt es auch in einer von Zombies verpesteten Welt. Aber wie auch in unserer Welt – in der es auch hin und wieder einige Hirnlose mit Zombiealüren gibt – gibt es unterschiedliche Auffassungen von dem richtigen Weg in die goldene Zukunft. Da bleiben Konflikte nicht aus. Und einer der Überlebenden sucht sich seinen eigenen Weg. Auch die letzten der fast 160 Seiten dieses Comcis lassen den Leser das Buch nicht einfach so zuschlagen. Obwohl man es von einem Zombie-Comic vielleicht nicht erwartet – „The Walking Dead“ ist bedrückend emotional und geht unter die Haut.
Jetzt ein harter Schnitt – zu den Bildern: die sind einfach nur toll! Ein bisschen an J. Romita Jr. angelehnt passt der fast schon franko-belgisch anmutende Strich von Tim Moore hervorragend zur verhalten erzählten Geschichte. Keine übertriebenen Perspektiven, fast schon konservative Seitenaufteilung und sanfte Grautöne lassen die Bilder in einem gesunden Gleichgewicht zur Geschichte erscheinen. Und wer schon mal im Schnee mit nur einer unzureichend wärmenden Decke eine Nacht im Zelt verbracht hat, kann die Dramatik, die mit den ersten Schneeflocken in diese Geschichte hereinrieselt, nachvollziehen. Aber die Kälte kommt hier langsam, und diese Langsamkeit zeigen auch die Bilder.
Der nächste Band wir unter anderem von Charlie Adlard gezeichnet. Der konnte aber schon bei den eigenständigen Akte X Comics gefallen – lassen wir uns überraschen.