Wer im Internet nach Rezensionen zu Comics sucht, wird in den meisten Fällen auf die üblichen Verdächtigen stoßen. Nur wenigen Comics gelingt es, über den kleinen Kreis der Liebhaber der neunten Kunst hinaus bekannt und anerkannt zu werden. Diesem Comic ist es gelungen. Und das zu Recht, zeigt „Die Macht des Volkes“ eine gelungene Mischung aus brachialem Strich von Tardi, Mordsgeschichten aus der Gosse von Vautrin vor dem politischen Hintergrund der Revolution der Pariser Kommune Ende des 19. Jahrhunderts.
Bei Geschichten mit historischem Hintergrund bewegt sich das immer noch vielerorts als komisch vorverurteilte Medium Comic auf dünnem Eis. Wenn ein Roman schludrig mit den Fakten umgeht, ist das dichterische Freiheit, ein Comic begeht dagegen die Totsünde der Verdummung, was es als triviales Machwerk ohnehin ständig tut.
Leider sind Dummheit und Vorverurteilung real existierende Tatsachen. Ob dieses Comic die damaligen Gegebenheiten akkurat darstellt oder nicht vermag vielleicht ein Historiker beurteilen, aber dieses Comic kann etwas ganz anderes: Es erzählt vom Leben in und mit den Wirren einer Revolution.
Revolutionen kennt man als deutscher eigentlich nur aus Geschichtsbücher und aus öden Unterrichtsstunden mit verbeamteten lebenden Toten als Führer durch etwas, das spannender als eine komplette Staffel Big Brother ist. „Die Macht des Volkes“ schildert, dass Missgunst, Hass und Vergeltung auch während weltpolitischer Umwälzungen für viele Menschen Triebfeder für ihre ganz persönlichen Handlungen sind.
Da geht es um ein totes Mädchen, dessen unfreiwilliges Ableben ungesühnt ist. Das interessiert aber eigentlich niemanden, bis auf den armen Trottel, der deswegen unschuldig jahrelang eingekerkert war. Nun soll der seiner Meinung nach wirklich Schuldige dran glauben. Dass genau dieser Mann ein Blutbad verhindert ist Nebensache.
Der Leser lernt auch, dass die Fleischeslust und der Suff durchaus politische Konsequenzen haben können. Unser Held – oder der wahre Mörder oder wie auch immer – will eigentlich keine Regierung stürzen oder in die Geschichtsschreibung eingehen, er will nur an die prallen Möpse einer Kurtisane. Eigentlich verständlich.
Die lebendige Erzählart, die immer wieder sprachlich den Gestank der Urinale in sich trägt, wird leider zu oft unnötig durch reine Textpassagen unterbrochen. Grafisch erzählen kann Tardi deutlich besser, dieses Manko verblasst aber vor der eindringlichen Schilderung des Lebens in rauen Zeiten. Fast aus Versehen überlebt der Deserteur lange genug, um sich schwanzgesteuert in Lebensgefahr zu bringen.
Blut fliest trotz der unblutigen Revolution genug. Ob es dabei wirklich immer die Richtigen erwischt, muss sich noch erweisen, das Comic ist auf drei Bände angelegt.