Mal wieder Vampire. Dieses Thema ist nicht tot zu kriegen. Eigentlich auch nicht schlimm, denn gerade die Blutsauger werden scheinbar immer wieder neu erfunden.
Diesmal sind die Vampire die Herrscher der Welt, zumindest von Berlinoir. So heißt die deutsche Hauptstadt unter der Führung von Fürst Szerbenmundt. Die Menschen gehen dort zur Arbeit, sie dienen den Unmenschen als lebendige Blutbank. Doch es gibt Widerstand unter den Lämmern. Und der wächst. Held der aufbegehrenden Warmblüter ist Niall. Er konnte den grausamen Barthelms meucheln. Doch dessen schöne aber dennoch spiztzzähnige Begleitung ließ er am Leben. Warum? Waren es die spitzen Brüste unter dem dünnen Abendkleid, die dem Schlächter Einhalt gebaten? Die schöne Untote heißt Hellen und ist Mitglied der Führungsschicht der Vampire. Auch wenn für einen getöteten Vampir drei Menschen sterben müssen, wird dieser Terroranschlag bei den Unterdrückten als Sieg gefeiert.
Doch auch unter den Untoten gibt es Neid und Intrigen. Hellen verbündet sich mit Niall, um General Gennadi zu töten. Er führte die Vergeltungsaktionen gegen die Menschen wegen des Attentats auf Barthelms. Die Aussicht, diesen wichtigen Militär ausschalten zu können, ist für Niall zu verlockend, und so geht er mit Hellen nicht nur eine Zweckgemeinschaft ein. Es endet blutig und tragisch.
Kleist ist ein sehr abwechslungsreicher Comic-Künstler. In „Paul“ und „Amerika“ ist er eher zurückhaltend im Strich, modern und dennoch in Richtung Line Claire. Sein Lovecraft-Album und auch Scherbenmund sind eher verspielt. Der aktuelle Band hat einen etwas antiquierten Charme. Die Milieus wirken wie eine dezente Mischung aus Retro und 50er Jahre Stil. Die Vampire tragen Hüte, die Autos haben gewaltige Motorhauben und die Einheitskleidung der Menschen ist im KZ-Manier dargestellt. Es gibt wie in „Der Kosmopolit“ keine Sprechblasen. Die Texte stehen in klobig wirkenden und die Grafik störenden grauen Kästen. Breite weiße Ränder trennen die rechteckigen Panels und geben den Seiten einen starren Charakter. Bei der Farbgebung beherrschen Grundfarben die dennoch bunten Seiten.
Scherbenmund ist ein angenehm altmodischer Comic. Er erzählt eine abgeschlossene Story und lässt dennoch erahnen, das die Geschichte um Berlinoir noch nicht zu Ende erzählt ist. Das es sich um ein deutsches Comic handelt, sieht man an Feinheiten wie der Architektur, den Plakaten und natürlich an der Wahl des Schauplatzes. Aber es ist angenehm normal. Kleist und Meissner verfallen nicht dem aus der Musik bekannten Phänomen des Krautrock, wo der deutsche Urspung überdeutlich zu hören war. Hier wirkt diese Tatsache eher natürlich und ist erst auf den zweiten Blick so richtig deutlich zu erkennen.