Das Treffen zweier Giganten. Auf der einen Seite der Vorzeige Intelektuelle der deutschen Comic-Rezensenten Szene Andreas Platthaus, auf der anderen einer der Sprechblasen Götter, der das Nachdenken beim Lesen nicht unwesentlich mitbestimmt hat: Jean Giraud oder eben Moebius. Auf der einen Seite Wortgewandtheit und FAZ gestütze Wichtigkeit, auf der anderen das Monument des epischen Comics mit Anspruch. Jean Giraud ist ein vertreter des klassischen franko-belgischen Comics. Er ist Herr über sein Werk das er sowohl grafisch als auch im Story-Telling immer weiterentwickelt hat.
Da traut man sich ja fast nichts zu sagen, so ehrfürchtig nimmt man das kleine blaue Buch zur Hand. Mit dem offenen Mund der Verzücktheit blättert man durch den Band und erfreut sich an den zum Teil bunten Abbildungen bis dann endlich der Kern des Buches beginnt: Girauds Autobiographie in seinen eigenen Bildern. Mit einigen Hintergrundinfos liest sich der in wenigen Strichen erzählte Comics als fast grausam entkleidende Selbstbetrachtung nicht ohne Selbstironie, aber wohl auch nicht ohne die beschwichtigende Unschärfe der Erinnerung. Giraud experimentierte mit Drogen wie Cannabis oder giftigen Pilzen, schloss sich einer Sekte an – ein Leben auf der Suche. Anders als der Normalsterbliche, der bis zur Pubertät rebelliert um dann ein funktionierender Teil des vorher Verhassten zu werden, bleibt in Giraud die unstete Gewissheit, dass man sich noch nicht gänzlich selbst erkannt hat. Immer im Zwiegespräch mit sich selbst, erkennend, dass es in jedem widersprüchliche Momente gibt. Und zum Schluss der Rückblick auf einen alten Menscheitstraum, dem des Fliegens. Der Zeichner als fast normaler, wenn auch kreativer Vertreter seine Spezies.
Keine Frage, der Comic- und besonders der Moebius/Giraud Leser braucht diesen Band.
Eingefasst wird diese Autobiographie von mehreren Aufsätzen aus der Feder von Platthaus. Wer ihn schon einmal live erlebt hat, hat ihn als wortgewaltigen aber auch populistischen Redner erfahren. Nicht ohne Arroganz, aber unterhaltend. Das gelingt ihm in „Im Comic entzweit“ leider nicht. Zu oft wiederholt er seine Grundthese „Giraud sind zwei geniale Persönlichkeiten, keine kann ohne den Anderen sein“. Das belegt er mit den verschiedensten Aspekten aus dem Leben und dem Schaffen des Franzosen. Oft schlüssig, zu oft aber auch einfach nur konstruiert um der eigenen Aussage nicht entgegen zu sprechen. Dabei ist der Widerspruch ein klarer Teil von Giraud und Moebius und wohl auch von Blueberry und Difool. Angenehmer zu lesen, weil eher aufzählend als bewertend, der Aufsatz „Leben nach dem Tod des Comic“, welcher viel über das Leben des Zeichners nach seiner Sketenerfahrung erzählt, aber auch in schulmeisterische Weise in den amerikanischen Comic als solches einführt.
Es sind trotz der anspruchsvollen Texte die vielen Bilder, die diesen Band auszeichnen. Das hat man erwartet und man bekommt es auch. Und das in einer liebevollen Aufmachung mit Fadenbindung und Hardcover. Fein und Edel – der Thematik angemessen. Im Gegensatz zu den fragilen und bunten Softcover Alben ein unscheinbarer Band, in dem mehr steckt, als man anfänglich annihmmt.