"Ich nahm mir vor, diese primitivste aller Erzählformen (die Comics) so gründlich zu praodieren, daß den Leuten die Lust an der blasenreichen, auf Analphabeten zugeschnittenen Stumpfsinnliteratur verging". Mit diesen Worten begrüßt uns Manfred Schmidt, der Schöpfer des wohl eigenständigsten deutschen Comic-Detektivs, in dem Vorwort zur Jubiläumsaugabe der Nick-Knatterton-Abenteuer. Glücklicherweise arbeitete Herr Schmidt extrem kontraproduktiv und schuf dann doch soviel Stumpfsinnliteratur, daß seine Blasengeschichten ein dickes Buch füllen.

Doch was macht den Reiz der alten schwarz/weiß Geschichten aus? Machen wir doch einmal eine grobe Zusammenstellung der typischen Elemente einer Kantterton Folge:
Zwei Streifen Fortsetzungsgeschichte
- Nick Knatterton, der Held
- Nick Knattertons markantes Äußeres mit extremer Nase, extremem Kopf und extremem Scharfsinn
- Jede Menge gut gebauter Frauen, zumeist vollständig bekleidet
- Irrwitzige Handlung
- Unerläßliche Erklärungskästchen
- Wort- und anderer Witz, oft aktueller Natur



Es folgen erläuternde und weiterführende Angaben der einzelnen Punkte.

Nick Knatterton ist ein Herr in undefinierbarem, aber deutlich fortgeschrittenem Alter. Ausgestattet mit fast übermenschlicher Kraft und unglaublichen Reflexen kann er sich aus den meisten körperlichen Kontakten stets als Sieger zurückziehen. Sein rasiermesserscharfer Verstand läßt den Leser mit offenem Mund neidlos erblassend erkennen: Nick Knatterton ist ein Genie!

Knattertons einprägsames Erscheinungsbild hat fast den selben Wiedererkennungsgrad wie das Logo der Deutschen Bank. Ein wenig fühlt man sich an die Strips mit Dick Tracey erinnert, aber das wird reiner Zufall sein.

Die Erkenntnis, daß gut gebaute Frauen einem alles verkaufen können, ist nicht neu. Schmidt dementiert in seinem Vorwort die Existenz eine "Busenstempels" mit dessen Hilfe er die sekundären Geschlechtsmerkmale der zahllosen Protagonistinnen erschaffen haben soll. Dabei kann man Schmidt nicht vorwerfen, ein einseitiges Frauenbild gezeichnet zu haben. Es gibt eher dümmliche vollbusige Damen, gemeine vollbusige Damen, helfende vollbusige Damen, exotische vollbusige Damen (an dieser Stelle brechen wir grammatisch völlig falsch diese Aufzahlung einfach ab).

Selten geling es einer Geschichte, den Leser konstant zu fesseln und ihn dennoch mit fast jeder neuen Folge mit einer überraschenden Wende zu konfrontieren. Schmidt gelingt es wirklich, trotz der wöchentlichen Erscheinungsweise, die Geschichte im Fluß zu halten. Ließe man die Überschriften weg, würde man nicht bermerken, daß die Knattertonschen Abenteuer Fortsetzungsgeschichten waren.

Das herausragende Stilmittel aller Knatterton-Strips sind die Erläuterungen. Zusammenhänge und Abläufe, die sich entweder in Sekundenbruchteilen ereignen, oder Rekonstruktionen Knattertonscher Gedanken, die ob ihrer Komplexität dem Leser oft nicht sofort nachvollziehbar sind, werden so dem Normalbürger verständlich gemacht. Ein Hausplan erklärt beispielsweise, warum Nick ebenerdig in das Haus hereinkommt, dann aber mittels eines Sprunges aus dem Fenster nach einem Fall im Fluß landet. Ein anderes Schema enthüllt die genial Simplizität der Kanttertonschen Aktion, wenn er mit einer Bewegung erst einen Tisch zur Immobilisierung des Gegners auf dessen Fuß plaziert, dann den Bösewicht durch Weiterdrehung der Tischachse und die daraus resutlierende Gewalteinwirkung der Tischkante auf des "Opfers" Kinn außer Gefecht setzt.

Wo uns gerade die heiße Phase der Fastnacht bevorsteht, wird jedem klar, daß es mit dem Humor eine ernste Sache ist. In den Geschichten mit Nick Knatterton gelingt es, den Humor auf unglaublich leichte, ja diät-ähnliche Weise darzubieten. Doch Vorsicht! Diäten machen süchtig! Bald kommt der JoJo-Effekt und man wird unweigerlich zur Lektüre dieses Bandes zurückgerufen.

Drei Dinge in einem, das kann nur Nick Knatterton: Spannung, Humor und viel Weiblichkeit - das Überraschungsei im Comicform